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1. Januar 2000 / Polar-Journal

Norwegischer Walfang

Der norwegische Kapitän und Antarktisfahrer Carl Anton Larsen gründete 1904 im Auftrag der Compafiia Argentina de Pesca mit Grytviken und Stormness die ersten Walfangstationen. Er  erreichte 1904 mit dem neuen Walfanger  „Fortuna“ und dem 1869 gebauten Transportschiff  „Louise“ Südgeorgien. Die von ihm errichtete Station  Grytviken war von Anfang an ein wirtschaftlicher Erfolg. Obwohl im ersten Jahr nur ein Walfangschiff eingesetzt war, wurden bereits fast 200 Wale gefangen.  In den folgenden Jahren wurden weitere sechs Walfangstationen auf Südgeorgien gebaut, die unterschiedlich lange betrieben wurden: Godthul (1908-1917 und 1922-1929); Ocean Harbour (1909-1929); Leith Harbour (1909-1964; geschlossen 1933 und während des Zweiten Weltkrieges); Husvik Harbour (1910-1931, 1945-1947 und 1957 -1960);Prince Olav Harbour (1917-1931).

In der ersten Zeit des Walfangs um Südgeorgien wurden nur Buckelwale gejagt, später wurden alle Walarten verfolgt, auch das Fanggebiet wurde bis auf 300 km vor der Küste ausgedehnt. Die Wale wurden harpuniert, mit Pressluft gefüllt und schwimmend zur Verarbeitung zur Station gebracht. Die meisten der Arbeiter kamen aus Norwegen; in der Anfangszeit stammten sie zu 80 Prozent aus dem Gebiet Vestfold am Oslofjord. In späteren Jahren wurden sie auch in Grossbritannien, Südamerika und auf den Falkland-Inseln angeworben. Sie waren Saisonarbeiter während des südlichen Sommers von Oktober bis März. In dieser Zeit lebten bis zu 500 Menschen in der Station, untergebracht in Baracken. 1913 wurde ein Wasserkraftwerk für die Stromversorgung gebaut. Zur Frischfleischversorgung gab es Rinder, Schweine, Schafe und Hühner, sogar Rentiere wurden eingeführt. 1907 kam ein Arzt nach Grytviken, damals entstand auch ein kleines Hospital. 1913-1931 wirkten verschiedene Pastoren in Grytviken. In der 1913 errichtete Kirche  wurden zunächst auch Filme gezeigt, bis 1930 das Kino gebaut wurde. In den 1920er Jahren gab es im Sommer Sportveranstaltungen und im Winter Skiwettkämpfe.

Den Briten blieben schliesslich die Aktivitäten der Norweger auf dem voll ihnen beanspruchten Territorium nicht gleichgültig. 1909 richtete die britische Regierung einen Magistrat am nur wenige hundert Meter entfernten King Edward Point ein, der u. a. die Walfangindustrie beobachten sollte. King Edward Point ist bis heute britischer Stützpunkt. 1910 wurde eine Gewerkschaft gegründet, 1912/13 kam es erstmals zu Streiks der Arbeiter auf Südgeorgien.

Carl Anton Larsen, der 1905 auch seine Frau und seine sieben Kinder nach Grytviken geholt und neben seiner norwegischen, die britische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, verliess die Insel 1914 als reicher Mann. Er kehrte jedoch 1923 in die Antarktis zurück,
um das Rossmeer für den Walfang zu erschliessen, wo er an Bord seines Schiffes starb.

Zwar zeichnete sich schon seit derJahrhundertwende ab, dass künftig Erdölprodukte das Walöl für Schmierund Beleuchtungszwecke ablösen würden, aber um 1900 war ein chemisches Verfahren entwickelt worden, mit dem tierische Öle in feste Fette umgewandelt werden konnten (Hydrierung); damit hatte das Walöl als Ausgangsstoff für die Herstellung von Margarine und Seife eine neue Bedeutung gewonnen. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges stieg ausserdem die Nachfrage nach Glyzerin, einem Nebenprodukt der
Walölverwertung, und Wale wurden in grosser Zahl gejagt. In Grytviken soll auch der grösste Wal, der jemals gefangen wurde, ein Blauwalweibchen von 35 m Länge mit über 100 Tonnen Gewicht, verarbeitet worden sein.

Während beider Weltkriege wurde die Walstation Grytviken von den Briten betrieben, lieferte sie doch lebenswichtige Rohstoffe für die Kriegswirtschaft. 1962 wurde der europäische Walfang in Grytviken eingestellt, die Anlage wurde 1963 an eine japanische Gesellschaft verpachtet, die sie noch zwei Jahre nutzte. 1965 endete der Walfang in Grytviken endgültig. Der Grund war einfach: Walfang lohnte nicht mehr, weil es so gut wie keine Tiere mehr gab. Allein in Grytviken wurden 1904-1965 insgesamt 54100 Wale verarbeitet. Auf allen Stationen Südgeorgiens zusammen waren es 175000 Tiere, in der gesamten Antarktis 1,5 Millionen.  Ob sich die Bestände der Wale je erholen werden, ist fraglich.

WALVERARBEITUNGSANLAGEN
Grytviken war die erste landgebundene Walverarbeitungsanlage in der Antarktis. Die Station bot regulär Unterkunft und Arbeit für 300 Mann, die Waltran, -fleisch und -knochen verarbeiteten. Die Tageskapazität (im Sommer 24 Stunden) betrug 25 Finnwale
mit einer Länge von 20 m. In 45 Minuten war die Speckschicht eines Finnwals vom Walkörper abgelöst, geflenst. Das Flensen eines Seiwales dauerte nur 30 Minuten.
Ausgangspunkt für einen Rundgang durch Grytviken ist der »plan«, die Flensbahn. Die grosse Fläche liegt zwischen zwei Anlegeplätzen. Mit Hilfe einer Slipanlage wurden die Wale aus dem Wasser auf den Plan gezogen. Die Tiere, die von einer Flottille von
Fangschiffen aufgebracht wurden, lagen bis zur Verarbeitung an der Pier nahe der Slipanlage. Um den Wal an Land zu ziehen, wurde ein Stahlseil um die schmalste Stelle des Schwanzes gebunden und der Wal rückwärts auf die Flensbahn gehievt. Die Seile, die noch heute herumliegen, dienten zum Abziehen der Speckschicht oder zum Befestigen der Wale am Schiffsrumpf.

Es gab in Grytviken eine Walwinsch, die bis zu 45 Tonnen bewegen konnte. Sie wurde mittlerweile abgebaut, ebenso wie auch die elektrischen Anlagen. An den beiden Seiten der Flensbahn befanden sich dampfgetriebene Seilwinschen, die die Speckstücke,
die von den Flensarbeitern mit sogenannten Flensmessern in 1-1,2 m breite Streifen geschnitten wurden, abzogen.
Unmittelbar neben der Flensbahn steht ein grosses Gebäude, in dem der Speck gekocht wurde, der zuvor streifenweise auf die zweite Verarbeitungsebene hinaufgezogen worden und von besonderen Maschinen zerkleinert worden war. In dem Gebäude stehen
12 grosse Dampfdruckkessel, in denen man das Tranöl gewann. Jeder Kessel konnte 24 Tonnen Speck aufnehmen, die in ca. fünf Stunden gekocht wurden. Produktionskapaz.ität Anschliessend wurde das Öl in das sogenannte Separatorhaus gepumpt, wo es mittels einer Zentrifuge gereinigt wurde. (Wurden genügend Wale gefangen, konnten pro Tag 160 Tonnen Walöl produziert werden.) Dieses Separator- wie auch das Generatorenhaus wurden durch ein Feuer zerstört. Ebenfalls in unmittelbarer Nähe der Flensbahn steht
ein Gebäude, in dem das Walfleisch verarbeitet wurde. Neben dem Speck wurden alle anderen Bestandteile des Wals, wie Zunge, Eingeweide, Fleisch, manchmal auch Flossen, in speziellen Kochern verarbeitet. Zum Zerkleinern der Walrippen gab es vier mit
Dampf betriebene Sägen, von denen sich noch eine in Grytviken befindet.
In der Nähe der Walfleischverarbeitungsanlage befindet sich das Gebäude, in dem Walknochen in kleine Stücke zersägt wurden, um dann ebenfalls für sechs Stunden gekocht zu werden. Trockenfleisch und Knochenmehl wurden im sogenannten Guano-Lager aufbewahrt. Die Tagesproduktion belief sich auf 150 Tonnen Knochenmehl, das in 50- kg-Säcke abgepackt wurde. Das Lager konnte während einer Walfangsaison 7500 Tonnen aufnehmen.
Viele der in Grytviken verwendeten Maschinen wurden an Ort und Stelle in eigenen Werkstätten gefertigt. In der Nachbarschaft der Produktions anlagen befinden sich die ehemaligen Unterkünfte, Küchen, das Hospital, Kraftwerke, das Kino sowie Hühner- und
Schweineställe. Die Walfangstation war sechs Monate im Jahr besetzt. Sie wurde nur von Tankschiffen angelaufen, die Brennstoff und andere Versorgungsgüter löschten und Waltran, Fleisch und Knochenmehlluden.

SCHIFFE IN GRYTVIKEN

In Grytviken liegen einige – zum Teil mittlerweile recht stark verfallene – Schiffe aus der Zeit des Walfangs:
Petrel: Sie ist das am besten erhaltene Fangschiff in der Station. Sie wurde 1929 in Oslo gebaut, 1956 in Grytviken aus der Walfangflotte herausgenommen und zu einem Robbenfänger umgerüstet. Die Petrel ist 31,1 m lang, sie war 11 kn schnell.
Albatros (Innenkante des Anlegers) und Dias (Aussenkante des Anlegers): Beide Schiffe sind bereits zur Hälfte im Wasser versunken. Die Albatros wurde 1921 in Svelvik in Norwegen gebaut, die Dias lief 1906 in Berverly (unweit Hull) vom Stapel. Beide Schiffe wa-
ren zunächst im Walfang eingesetzt und wurden dann wie die Petrel zu Robbenfängern umgebaut. Louise: Die traurigen Reste der Louise liegen in der Bucht unmittelbar vor dem Friedhof. Das 52 m lange Schiff war 1869 alsJennie S Barker in Freeport, Maine,
gebaut worden. Nach kurzer Verwendung 1879 in Die von Hans Kjell Larsen ge stiftete Bronzebüste Carl Anton Larsens steht seit 1988 in der Kirche. Der Deutschland kam sie 1880 nach Norwegen. 1904 wurde sie von der Compaäia Argentina de Pesca als Transportschiff für den Bau von Grytviken verwendet. Sie verliess Sandefjord am 23.Juli 1904 und erreichte Südgeorgien zusammen ‚mit der Fortuna (heute noch als Wrack bei Hope Point zu sehen) am 16. November 1904. Später wurde sie in Grytviken als Kohlenhulk verwendet. In den vierzigerjahren vertrieb die Louise an ihre heutige Position, wo sie 1987 im Rahmen einer Übung der am King Edward Point stationierten britischen Garnison fast völlig ausbrannte.