– 2006 – 04 Klimaforschung, Antarktische Seen
01.04.2006 Klimaforschung: Hitzewallung über der Antarktis
Die Luft über der Antarktis hat sich in den letzten 30 Jahren stärker erwärmt als über anderen Erdteilen. Die Ergebnisse von britischen Forschern stimmen nicht mit gängigen Klimamodellen überein.
Die kälteste Region der Erde ist zugleich auch diejenige, die sich am schnellsten erwärmt – immer schneller schmilzt das ewige Eis. Wissenschaftler vom British Antarctic Survey (BAS) haben nun auch in der Troposphäre über der Antarktis, einer Luftschicht in ungefähr 5 Kilometern Höhe, einen aussergewöhnlich hohen Temperaturanstieg gemessen. Demnach hat sich die Luft über dem Südpol in den letzten 30 Jahren stärker erwärmt als über allen anderen Teilen der Erde, schreibt die britische Forschergruppe im Wissenschaftsmagazin „Science“.
Die Forscher werteten gesammelte Daten von Wetterballons aus, die von 1971 bis 2003 die Temperaturen über der Antarktis aufzeichneten. Bei den Überprüfungen der Daten über drei Jahrzehnte hinweg, massen sie einen Temperaturanstieg um 0,5 bis 0,7 Grad Celsius. Weltweit habe die Lufterwärmung im Durchschnitt dagegen nur um 0,1 Grad Celsius zugenommen.
Einen Grund für diese Diskrepanz konnte das Forscherteam unter Leitung von John Turner nicht nennen. Insgesamt lägen die Ergebnisse jedoch im Bereich dessen, was infolge des Treibhauseffekts zu erwarten sei, hiess es. Der Wärmeaustausch zwischen Erde und Atmosphäre findet hauptsächlich in der Troposphäre statt. Ihre Entdeckung sei besonders interessant, da Messungen auf der Oberfläche der Antarktis keinen kontinuierlichen Temperaturanstieg anzeigen, sondern Schwankungen.
Eine mögliche Erklärung für die deutlichen Unterschiede in der Temperatur könnte in den Klimamodellen liegen. Je regionaler die Prozesse ablaufen, desto ungenauer werden die Voraussagen globaler Modelle. Wissenschaftler wollen besonders die antarktischen Temperaturschwankungen verstehen, da das Eis dort genug Wasser birgt, um den Meeresspiegel um 60 Meter ansteigen zu lassen.
20.04.2006 Antarktische Seen: Reger Austausch unter dem Eispanzer
Mehr als 150 Seen sind bisher unter dem Eispanzer der Antarktis entdeckt worden – galten aber als voneinander isolierte Wasserspeicher, bis jetzt. Aus Satellitenbildern schliessen Forscher nun auf Verbindungen zwischen den antarktischen Seen.
Über Millionen Jahre hinweg wuchsen die Antarktis-Seen unter dem Eis – gewaltige Wassereinschlüsse zwischen dem felsigen Untergrund und dem Gletscherpanzer, der über dem Südpol ruht. In vier Kilometern Tiefe, so vermuteten Forscher bisher, könnte sich in jedem der Reservoirs unabhängig voneinander primitives Leben entwickelt haben.
Ein Forscherteam um Martin Siegert von der Bristol University dämpft diese Hoffnungen nun: Mit Hilfe von Satellitenaufnahmen wiesen sie nach, dass diese Seen durch ein weit verzweigtes Flusssystem miteinander verbunden sind – und sehr rege Wasser austauschen.
Dass sich in den Seen unabhängige Ökosysteme entwickeln könnten, sei daher unwahrscheinlich, berichten die Forscher im Fachmagazin „Nature“ (Bd. 440, S. 1033). Bisher hatte man angenommen, dass sich Wasser unter der massiven Eisdecke der Antarktis nur sehr langsam bewegen könne – und teilweise versickere.
Was Martin Siegert auf Satellitenfotos beobachten konnte, deutet allerdings auf das genaue Gegenteil hin: Die Höhenradaraufnahmen zeigten, dass sich die Eisdecke über einem See in der Ost-Antarktis innerhalb von 16 Monaten um rund drei Meter senkte. Über zwei anderen Seen, 290 Kilometer entfernt, erhöhte sich das Eis entsprechend. Die Forscher führen diesen Effekt auf die Verlagerung von 1,8 Kubikkilometern Wasser zwischen den Gewässern zurück.
Die Bewegung solcher gewaltigen Wassermengen weise auf die Existenz von Flüssen in der Grössenordnung der Themse hin, so Siegert. Die Ergebnisse der Studie liessen zudem den Schluss zu, dass die Seen aufgrund des stetig ansteigenden Wasserdrucks durch den darüberliegenden Eispanzer schlagartig anschwellen und so „wie ein Korken aus einer Champagnerflasche“ aufbrechen könnten. Ob das Flusssystem und somit die Seen mit dem Meer verbunden sind, ist bislang noch unklar.
Gary K.C. Clarke von der University of British Columbia in Kanada warnte in Anbetracht dieser Erkenntnisse: Es bestehe die Gefahr, dass durch eine Anbohrung eines einzigen Sees, das gesamte unterirdische System verunreinigt werden könnte. „Es gibt bereits Pläne, aus dem Vostok-See Proben zu entnehmen, um die Vermutung eines mikrobiellen Ökosystems zu überprüfen“, schrieb Clarke in einem anderen „Nature“-Beitrag. Subglaziale Seen in der Antarktis wurden erstmals in den 1960er Jahren entdeckt. Seit damals hat man über 150 solcher Seen gefunden – mehrere Tausend dürften insgesamt existieren.