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1. Januar 2000 / Polar-Journal

Gletscherkunde

Gletscherkunde: Gletscherforschung, Teildisziplin der Glaziologie, die sämtliche Erscheinungsformen, die physikalischen Eigenschaften und, in Überschneidung mit der Geomorphologie, die vielfältigen landschaftsgestaltenden Wirkungen der Gletscher untersucht.
Wenn die Summe der winterlichen, festen Niederschläge das sommerliche Abtauen über mehrere Jahre bzw. bei sehr niedrigen Temperaturen über mehrere Jahrzehnte überwiegt, entsteht durch die kontinuierliche Anhäufung von Schnee im Zuge der Schneemetamorphose Eis. Dies beginnt ab einer Mächtigkeit von mehreren Zehner Metern, sich unter seinem Eigengewicht gravitativ zu bewegen. Bezeichnet man das sich bewegende Eis, wird von Gletschereis gesprochen, der gesamte zusammenhängenden Eiskörper wird Gletscher genannt und ist ein Forschungsgegenstand der Glaziologie.

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Die gesamte, von Gletschern eingenommene Fläche auf der Erde beträgt derzeit etwa 14,9 Mio. km2, entsprechend rund 10% der Land- und 3% der Erdoberfläche. Davon entfallen allein ca. 12,5 Mio. km2 auf die Antarktis, 1,7 Mio. km2 auf Grönland und lediglich knapp 4% der gesamten vergletscherten Fläche verteilen sich auf die übrigen Polargebiete und die Gebirge der Erde. Die Ozeane der Erde werden zusätzlich zu über 7% ihrer Fläche von Meereis bedeckt. Die Eismächtigkeiten der Gletscher liegen bei den Gebirgsgletschern zwischen mehreren Zehnern bis Hundertern Meter und bei den zentralen Teilen der kontinentalen Eisschilde bei über 3000-4000 m. In den Gletschern sind 1,2% des irdischen Oberflächenwassers und über 98% der gesamten Süsswassermenge der Erde gebunden. Ihre Bildung ist zum einen an niedrige Temperaturen gebunden, v.a. während der sommerlichen Ablationsperiode, und zum anderen an ausreichende Niederschlagsmengen. Insbesondere Firnfelder oder andere geschützte Lagen in Gebirgen oberhalb der orographischen Schneegrenze begünstigen die initiale Gletschereisentstehung. In den polaren Regionen ist die klimatische Schneegrenze bis zum Meeresspiegel abgesenkt, so dass hier Gletscher als Eisschelfe meerwärts über die Küstenlinie hinausreichen. Für die Konservierung einmal gebildeter Eismassen sind bei ausreichend niedrigen Temperaturen nur noch geringste Niederschläge erforderlich, woraus sich die rezente Erhaltung der grossen antarktischen Inlandeismassen in einem der aridesten Gebiete der Erde erklärt.

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Die in mannigfachen Formen auftretenden Gletscher der Erde werden im Rahmen von Gletscherklassifikationen nach unterschiedlichen Kriterien zu übergeordneten Gletschertypen zusammengefasst, wobei allerdings zahlreiche Übergangsformen zwischen den einzelnen Typen bestehen. Die wichtigste Gletscherklassifikation erfolgt nach den geomorphologischen Gegebenheiten:

  • a) dem Relief übergeordnete flächenhafte Vereisungen, auch Deckgletscher genannt, (z.B. Eisschilde, Eiskappen, Plateaugletscher),
  • b) die dem Relief untergeordneten Talgletscher (auch Gebirgsgletscher) mit deutlich umgrenztem Einzugsgebiet bzw.
  • c) Eisstromnetze, die gewissermassen als Zwischenstufe durch eine über die Wasserscheiden hinweg erfolgende Vereinigung zahlreicher Talgletscher (Transfluenzpass) gebildet werden.

Die antarktischen Gletscher der schildförmig gewölbten, polaren Inlandeismassen  werden als „kalte Gletscher“ bezeichnet, ihre Ablation erfolgt zu einem wesentlichen Teil durch Kalbung ihrer zahlreichen Auslassgletscher in das Meer. Bezüglich der Art der Bewegung wird zwischen der bei kalten Gletschern wesentlichen Blockschollenbewegung von Gletschern und der bei temperierten Gletschern dominierenden, langsameren strömenden Bewegung unterschieden. Die Blockschollenbewegung ist charakterisiert durch in Gletscherrandnähe abrupt zunehmende Geschwindigkeiten und relativ rascher, blockartiger Bewegung des gesamten Gletscherzentrums. . Im Innern von Eisschilden beträgt die Fliessgeschwindigkeit lediglich wenige m/Jahr, wohingegen bei ihren Auslassgletschern die höchsten bekannten Gletschergeschwindigkeiten auftreten. Im Zuge der Gletscherbewegung kommt es im oberen, starren Bereich des Gletschereises und in den Gletscherrandbereichen zu Scherspannungen, wodurch Risse und die für die Gletscheroberfläche typischen Gletscherspalten entstehen. Der aktuellen Klima- und Umweltforschung dienen Gletscher als wichtige Archive, die mittels der Analyse von Eisbohrkernen (Eiskernbohrung) vielfältige Aussagen zu Klima- und Temperaturschwankungen im Jungquartär erlauben. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Sauerstoffisotopenmethode und der Analyse von in den Luftblasen des Gletschereises gespeicherten atmosphärischen Gasen zu, insbesondere der sog. Treibhausgase CO2 und Methan. Sie ermöglichen Vergleiche mit der heutigen Atmosphärenzusammensetzung und evtl. in der Zukunft wissenschaftlich abgesicherte Aussagen über den menschlichen Einfluss auf das Klima und die zukünftige Klimaentwicklung.

p-glaziologie-blaueisfelderBlaueis: infolge geringen Lufteinschlusses dichtes, bläulich oder blaugrün schimmerndes Eis.
Bänderung/Blätterung: Ist das Abwechseln von dunklem luftarmen Blaueis mit hellem luftreichen Weisseis. Entsehung durch Primärschichtung oder durch Bewegung, Pressung, Druck . „Pflugfurchen“, da Blaueis rascher schmilzt.
Blätterung, entstehen aus der ursprünglichen Jahresschichtung im Gletschereis durch die Aufeinanderfolge von luftreicheren Winter- und durch Schmelzwasserwirkung feuchteren, luftärmeren Sommerschichten. Hieraus resultiert ein Wechsel von weissen, weniger dichten und lufthaltigeren mit bläulichen, dichten und luftarmen Schichten (entsprechend der primären, horizontalen Jahresschichtung im Millimeter- bis Dezimeterbereich), sie werden Weisseisbänder und Blaueisbänder bzw. im engständigen Wechsel als Weisseisblätter und Blaueisblätter bezeichnet. Die Bänder unterliegen durch die Gletscherbewegung steten Veränderungen, sind häufig auch schräg-oder steilgestellt und durch unterschiedlich starkes Abschmelzen an der Gletscheroberfläche herauspräpariert .

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