– 2009 – 04 Wilkins-Packeis, Mikroben-Blutspur, Tourismus-Einschränkung
05.04.2009 Wilkins-Packeis: Eisbrücke in der Antarktis bricht
Ein riesiges Stück des antarktischen Wilkins-Packeises droht abzubrechen: Wie Bilder des europäischen Satelliten Envisat zeigen, geht ein Riss durch die Eisbrücke zu benachbarten Inseln. Es sei nur eine Frage der Zeit, meinen Forscher, bis das Eisschelf ganz abbreche.
Ein Satellit der Europäischen Raumfahrtagentur ESA zeigt den Riss in aller Deutlichkeit: Eine 40 Kilometer lange Eisbrücke vom sogenannten Wilkins-Eisschelf zu den Inseln Charcot und Latady ist an ihrer schwächsten Stelle gebrochen. „Es ist erstaunlich, wie das Eis gerissen ist“, sagte David Vaughan, Gletscherforscher vom Britischen Antarktis Survey zu dem Bild des Satelliten Envisat. „Wir haben lange Zeit darauf gewartet, das zu sehen.“
Erst kürzlich hatte Vaughan davor gewarnt, dass das riesige Wilkins-Schelfeis, auch Wilkins-Schild genannt, kurz vor dem Abbruch stehe (siehe Video). Die Region nahm in den fünfziger Jahren noch eine Fläche von rund 16.000 Quadratkilometern ein – das entspricht etwa der Grösse von Schleswig-Holstein. Mittlerweile ist das Schelf um ein Drittel geschrumpft. Vaughan war im Januar noch mit einem Forscherteam dort gelandet. Er geht davon aus, dass es sein letzter Besuch auf dem Schelf war.
Während die Eisbrücke zum Festland vor 60 Jahren noch rund 100 Kilometer breit war, könnte sie nun den antarktischen Sommer nicht überstehen. „Ich glaube, dass wir noch mehr Eis verlieren werden“, sagte Vaughan. Die Wissenschaftlerin Angelika Humbert vom Institut für Geophysik an der Universität Münster ergänzte: „Im vergangenen Jahr hat das Eisschelf etwa 1800 Quadratkilometer oder 14 Prozent seiner gesamten Grösse verloren. Die Abbrüche im Februar und Mai 2008 ereigneten sich in nur wenigen Stunden und liessen den Rest der Eisbrücke in einer fragilen Situation zurück.“
In den vergangenen 50 Jahren sind neun Schelfeis-Flächen in der Antarktis abgebrochen oder geschrumpft. Oft geschieht dies plötzlich, wie bei Larsen A im Jahr 1995 oder Larson B 2002. Insgesamt sind 25.000 Quadratkilometer Eisfläche – etwa die Grösse von Mecklenburg-Vorpommern – verlorengegangen. Entsprechend haben sich die Umrisse des südlichsten Kontinents geändert.
Schuld ist nach Einschätzung von Wissenschaftlern der Klimawandel, der die Antarktis in ähnlichem Ausmass trifft wie die gesamte südliche Erdhalbkugel. Während die Schmelze in der Arktis unbestritten dramatisch voranschreitet, war die Entwicklung in der Antarktis lange Zeit weniger eindeutig. Hier wurden nur punktuell steigende Temperaturen gemessen, manche Gegenden kühlten sogar ab, auch in der Tiefsee sinken die Temperaturwerte. Doch im Januar veröffentlichten Forscher von der University of Washington in Seattle im Fachblatt „Nature“ eine Studie, die erstmals zeigte, dass die Klimaerwärmung die Antarktis überall und nicht nur in Randbereichen trifft.
Einige Eisschelfe sind wissenschaftlichen Analysen zufolge mindestens 10.000 Jahre alt. Vaughan sagte, es dauere viele hundert Jahre, bis sie sich gebildet hätten. Bei seinem Besuch im Januar sei die verbleibende Eisbrücke von Eisbergen so gross wie Einkaufszentren umgeben gewesen.
17.04.2009 „Blutstrom“ durch uralte Mikroben aus Gletscher
Forscher haben das Rätsel um einen vor knapp hundert Jahren entdeckten „Blutstrom“ in der Antarktis gelöst. Der Auslöser dafür sind nicht – wie zunächst angenommen – rote Algen, sondern Eisenoxid, das von Mikroorganismen unter einem Gletscher freigesetzt wird. Dort haben diese Organismen schon seit mehr als 1,5 Millionen Jahren weitgehend abgeschlossen von der Umwelt überlebt.
In ihrem Lebensraum gibt es kein Licht und kein Sauerstoff, dafür viel Salz, Schwefel und Eisen. Unter dem Gletscher befindet sich seit Millionen von Jahren Wasser, das alle Zutaten für dieses Ökosystem enthält, schreiben Jill Mikucki von der Harvard-Universität in Cambridge und Kollegen im US-Journal „Science“. Das austretende Wasser ergiesst sich wie ein roter „Blutstrom“ über die Zunge des Taylor-Gletschers in der Ostantarktis.
Organismen „atmeten“ Eisen
Die Mikroorganismen gewinnen ihre Energie nach Forscherangaben, indem sie Eisen „atmen“ anstatt Sauerstoff. Schwefel diene dabei als Katalysator. Möglicherweise haben die Organismen überlebt, indem sie organisches Material frassen, das mit ihnen vor 1,5 bis 2 Millionen Jahren eingeschlossen wurde.
Rote Färbung ist Eisenoxid
Das Team um Mikucki hatte den „Blutstrom“ in der Antarktis analysiert, der 1911 entdeckt worden war. Die ersten Entdecker vermuteten rote Algen als Ursache der Färbung, doch nun fanden die Forscher, dass es sich um Eisenoxid handelt, das Mikroorganismen vom Felsgrund unter dem Gletscher freigesetzt haben.
Kolonie könnte schon auf eisbedeckter Erde existiert haben
„Es ist ein bisschen wie die Entdeckung eines Waldes, den niemand seit 1,5 Millionen Jahren gesehen hat“, sagte Harvard-Forscherin Ann Pearson. Da die nun entdeckten Mikroorganismen denjenigen von anderen Ozeanregionen ähneln, nehmen die Forscher an, dass sie aus einem Fjord oder See stammen und vom Gletscher eingeschlossen wurden. Die Kolonie könne schon existiert haben, als die Erde wie ein Schneeball nahezu komplett von Eis bedeckt war.
18.04.2009 Südpol-Tourismus soll eingeschränkt werden
Zum Schutz des Ökosystems der Antarktis soll der in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegene Tourismus in der Polarregion begrenzt werden. Einen entsprechenden Beschluss fassten am 17. April die Teilnehmer einer internationalen Konferenz zum 50-jährigen Bestehen des Antarktisvertrages in Baltimore im US-Staat Maryland. Sie folgten damit einem Vorschlag der USA. Demnach wird die Grösse von landungsberechtigten Kreuzfahrtschiffen auf solche begrenzt, die maximal 500 Passagiere an Bord haben. Zudem darf künftig an Landungsstellen nur je ein Schiff zur gleichen Zeit andocken. Maximal 100 Passagiere dürfen gleichzeitig an Land, dabei soll pro 20 Urlaubern mindestens ein Reiseführer dabei sein. Die Vereinbarung sieht bei Verstössen keine Strafen vor, die Unterzeichnerstaaten sollen die Einhaltung der Regeln selbst überwachen.