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30. März 2013 / Polar-Journal

– 2013 – 03 Meteoritensuche

07.03.2013  [-r] Antarktisreise: Meteoritenjagd im Eis des Südens

Schnee so weit das Auge reicht: Botschaften aus dem All werden die wenigsten Besucher in der Antarktis erwarten. Dennoch gilt der eisige Südkontinent als Ort, an dem viele Meteoriten landen – ein Paradies für Astronomen.
Eingepackt in dicke Daunenkleidung, mit Steigeisen an den Polarstiefeln schreitet der kalifornische Astronom Landon über das unebene, transparente Eis. Vor sich schwenkt er einen Metalldetektor in wenigen Zentimetern Höhe über das Eis. Die gleissende Sonne steht über einer vergletscherten Bergkette und lässt das Eisfeld blau leuchten. Ab und zu durchdringt das probehalber ausgelöste Piepsen des Metalldetektors die absolute Stille.
Wüsste ich nicht, dass wir uns auf dem Südkontinent Antarctica befinden, würde ich mich in einem Science-Fiction-Film wähnen. Eigentlich bin ich auf dem Weg zum Südpol und hatte nicht damit gerechnet, in der Eiseskälte der Ellsworth Mountains nach Meteoriten zu suchen. Doch Landons Begeisterung war so ansteckend, dass ich mit ihm und dem britischen Guide Andy einen der Monster-Jeeps bestieg, um vom Camp aus eine Stunde über den zwölf Kilometer breiten Gletscher zu fahren.
Landon hatte mir versichert, dass die Chancen nicht so schlecht seien, an diesem wolkenlosen Nachmittag einen Meteoriten zu finden. Meteoriten fallen zwar gleichmässig auf der Erde, doch es gibt Gebiete, wo sie bevorzugt zu finden sind: in Wüsten und in der Antarktis. Das liegt daran, dass sie aufgrund ihres hohen Eisenanteils in gemässigten Klimazonen schnell verwittern. Im Eis fallen sie ausserdem leicht auf.
Im Zickzack über das Blaueis
Landon steuert eines der Blaueisfelder an, wo das Gletschereis vom Schnee befreit in der Sonne glitzert. Diese Felder entstehen, wenn sich Gletscher über eine Geländekante bewegen und tiefe Eisschichten an die Oberfläche drücken. Sie gelten als sogenannte Meteoritenfallen.
Denn mit dem Eis der tieferen Schichten gelangen auch die Meteoriten an die Oberfläche. Damit sich eine Meteoritenfalle ausbildet, ist es notwendig, dass das Eis an der Oberfläche durch Sublimation verschwindet. So nennt man den Vorgang, wenn Eis nicht erst zu Wasser schmilzt, sondern direkt verdunstet. Sublimation kommt in der sonnenintensiven Antarktis häufig vor und wird durch Wind verstärkt. Ferner muss das Gebiet hoch genug liegen, dass es nicht zu warm wird und der Meteorit im Eis versinkt.
Landon schreitet in einem engen Zickzackmuster das Blaueisfeld ab. Schon nach einer halben Stunde piepst der Detektor. Ich gehe zu ihm und würde zu gerne jetzt seine Mimik sehen, doch sein Gesicht ist hinter einer Schneebrille und einer Frostschutzmaske verborgen. Er streicht mit dem Metalldetektor immer wieder über die verdächtige Stelle. Jedes Mal folgt ein markdurchdringendes Piepsen.
Nachricht aus dem Weltraum
Kein Zweifel, da liegt etwas im Eis! Während Landon beginnt, den Boden mit seinem Eispickel zu bearbeiten, frage ich ihn vorsichtig, ob es nicht auch ein Nagel oder eine alte Konservenbüchse sein könnte. „We are in Antarctica“, ist seine entrüstete Antwort. Hier liegt kein Müll herum, ausserhalb der Camps und Stationen ist Antarctica der letzte vom Menschen völlig unberührte Kontinent. Landon hat schon zehn Zentimeter tief gegraben, als es im Eis dunkel zu schimmern beginnt.
Er arbeitet nun noch vorsichtiger, langsam verdeutlichen sich die Konturen eines etwa zwei Zentimeter grossen Gegenstands. Nun kommt ein Pinsel zum Einsatz, um die letzte Eisschicht abzutragen. „Das ist ein Meteorit!“, ruft Landon. Er reicht ihn mir, das Gewicht liegt gefühlt deutlich über dem eines vergleichbar grossen Steins. „Eine Nachricht aus dem All“, sagt Landon pathetisch. Die meisten Meteoriten stammen aus dem Asteoridengürtel, der sich zwischen Mars und Jupiter um die Sonne zieht. Es können aber auch Absplitterungen unseres Mondes oder eines Kometen sein.
Landon sucht weiter, denn aus Erfahrung weiss er, dass ein Meteorit oft nicht alleine im Eis liegt. Nur Minuten später piepst sein Detektor wieder. Kurz darauf reisst sich Landon die Maske vom Gesicht, endlich sehe ich sein Lachen. Er hat einen zweiten Meteoriten gefunden. Glücklich sitzt er bei minus 30 Grad Celsius auf dem Eis und zeigt auf die beiden Fundstellen.
Nachdem Landon beide Brocken eingehend untersucht und vermessen hat, lässt er sie im Eis und begräbt sie mit Schnee. Wir kehren zurück ins Camp, inzwischen ist es Abend geworden und wir sind froh, dass vom Abendessen noch etwas übrig ist.
Anlaufpunkt für den höchsten Kontinentgipfel
Das Union Glacier Camp hat seinen Ursprung im Wunsch vieler Bergsteiger, den 75 Kilometer entfernten Mount Vinson zu besteigen, mit 4892 Meter der höchste Berg der Antarktis und damit einer der begehrten Seven Summits. Bis heute sind die meisten Besucher des Camps Alpinisten, die sich vorgenommen haben, alle sieben höchsten Gipfel der Kontinente zu besteigen. Unter ihnen gilt der Mount Vinson als der kälteste, wenn auch technisch nicht als der schwierigste.
Steve Jones, der Chef des Camps, bietet mir an, mit einer der beiden Twin Otters mitzufliegen, die mittags eine Gruppe Bergsteiger im Basislager des Mount Vinson abholt. Ich klettere in die rot-weisse Maschine, ausser mir sind nur die kanadische Pilotin Monica und ihr Kopilot Bruce an Bord. Schnell verschwinden unter uns die Zelte des Camps in der Unendlichkeit Antarcticas.
Mit jeder Flugminute über den Ellsworth Mountains steigt meine Enttäuschung: Dichte Wolken sorgen für ein langweiliges Licht, das die an sich spektakulären Eislandschaften stumpf erscheinen lässt. Immer wieder kratze ich die vereiste Scheibe frei, doch die Hoffnungen auf Sonne schwinden. Dann tauchen die Ausläufer des Mount-Vinson-Massivs auf, das mit einer Länge von 25 Kilometern und einer Breite von 15 Kilometern der dominierende Part der Ellsworth Mountains ist.
Plötzlich leuchtet vor uns ein noch weit entfernter Gletscher. Durch das vereiste Seitenfenster sehe ich, dass das Gipfelmassiv des Mount Vinson in der Sonne liegt. Nicht nur das, es wird flankiert von Wolken und Nebel. Wenige Minuten später kommt der Gipfel in Kameraposition, eine spektakuläre Aussicht. Im High-Speed-Modus belichte ich Bild um Bild und versuche, das dramatische Wetter festzuhalten. Gleichzeitig stelle ich mir die bange Frage, wie wir dort landen sollen.
Landung am Hang
Monica drückt die Maschine steil nach unten und hält auf den Gletscher zu. Die vereiste Landepiste hat eine Länge von nur 220 Meter hat und reicht nur aufgrund ihrer Steigung aus, um die Twin Otter rechtzeitig vor den Gletscherspalten zum Stehen zu bringen. Monica lässt sich von den Nebelschwaden nicht abbringen, seit Tagen warten die Bergsteiger, weil sie nicht abgeholt werden konnten.
Seracs und Gletscherspalten fliegen vorbei, dann setzen wir hart auf, ich werde sofort in meinen Gurt gepresst. Endlich kommt die Maschine zum Stehen. Bruce reisst von aussen die Tür auf und ich bin sofort gefangen von dem Anblick. Rings herum Gletscher und über mir das Gipfelmassiv des Mount Vinson. Davor treibt der heftige Wind Nebelschwaden über den Gletscher. Ich werfe den Kamerarucksack in den Schnee und beginne wie ein Verrückter zu fotografieren.
Eigentlich wollten wir nur fünf Minuten bleiben, die Bergsteiger aufnehmen und sofort zurückfliegen. Monica ist selbst fasziniert von Licht und Wolken und bittet die zwölf wartenden Bergsteiger, sich noch eine Stunde zu gedulden. So habe ich Zeit, das Stativ aufzubauen und auch zu filmen. Einmal halte ich für eine Minute inne, lege die Kameras weg und geniesse einfach den Anblick. Was für ein Berg, was für ein Ort, inmitten von Antarctica. 1200 Kilometer sind es von hier bis zum Südpol. Der wird mein nächstes Flugziel sein.

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