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1. Januar 2000 / Polar-Journal

1910-12 NO Roald Amundsen

Amundsen hatte, während Scott noch in England seine Südpolexpedition vorbereitete, in Norwegen
eine Nordpoleroberung geplant. Er kannte die Arktis bereits sehr gut. In den Jahren zwischen 1903
und 1906 hatte er als erster die Nordwestpassage ganz mit dem Schiff zurückgelegt, wenn er auch zwischendurch im Eis überwintern musste. Diese Route war ein Labyrinth von Kanälen – die meiste Zeit des Jahres zugefroren – das nördlich von Kanada zwischen zahlreichen Inseln hindurch vom Atlantik zum Pazifik führte.
Sein Hauptziel war also der Nordpol. Um aber das arktische Packeis zu überwinden, benötigte man ein Schiff, das dem Eisdruck standhielt. Und da gab es ein Schiff, das genau für diesen Zweck gedacht war. Ein anderer norwegischer Forscher, Nansen, hatte es erbauen lassen und sich dann, wie wir schon wissen, freiwillig vom Eis bei der sibirischen Küste einschliessen lassen. Er hoffte, so von dem in Bewegung befindlichen Packeis bis zum Pol getragen zu werden.

Amundsen erbat also von Nansen die Erlaubnis, das Schiff zu benutzen, und Nansen, der sich für zu alt hielt, um noch persönlich Versuche zu unternehmen, stimmte zu.

Während sich Amundsen aber zum Aufbruch nach dem Nordpol rüstete, erreichte ihn plötzlich die
Nachricht, dass dieser von einem amerikanischen Forscher namens Peary erobert werde. Ihm war es
gelungen, die lange Fahrt mit Erfolg zurückzulegen. Er war von der südlichsten der Inseln im kanadischen Archipel, Ellesmer-Insel, aufgebrochen und mit Hundeschlitten über das Packeis gefahren. Peary hatte lange Jahre hindurch die Gewohnheiten der Eskimos aufmerksam beobachtet und ihr Leben in Schnee und Eis studiert. So nahm er auch zu seiner Polfahrt einige Eskimos mit, Fachleute im Bau der Iglus, die einen besseren Schutz bieten als Zelte.
Nachdem Amundsen erfahren hatte, dass der Nordpol bereits erobert wurde, beschloss er, seine Fahrt
mit der »Fram« trotzdem durchzuführen. Er wollte sich jedoch zum Südpol aufmachen, dem Reiseziel Scotts. Um zu vermeiden, dass dieser alarmiert wurde und sein Tempo vielleicht zu sehr beschleunigte (und dies beweist mehr als alles andere, dass es sich
tatsächlich um einen Wettlauf handelte), liess Amundsen seinen Entschluss nicht sofort verbreiten. Er begann die Reise, als ob das Ziel der Nordpol wäre, änderte dann den Kurs und steuerte erst nach
Süden, als er auf hoher See war. Er hatte seinen Bruder damit beauftragt, Scott zu telegrafieren; dessen Schiff befand sich zu diesem Zeitpunkt schon in Australien. Amundsen liess ihm seine Absicht, ebenfalls die Eroberung des Südpols zu versuchen, mitteilen.

So war die »Fram« in der Antarktis angelangt, mit einer Ausrüstung, die für die Arktis gedacht war
(von Eskimohunden gezogene Schlitten). Die Gruppe Amundsen schlug das Hauptlager direkt in der Walfischbai auf. Man begann lediglich damit, einige Depots entlang der Strecke zum Pol vorzubereiten, um dann den Marsch sofort mit Eintritt der guten Jahreszeit beginnen zu können.

Der Wettlauf zum Südpol

Die beiden Gruppen, die von Scott und die von Amundsen, schickten sich also an, in ca. 800 km Entfernung voneinander zu überwintern. Sie wollten das Ende der Polarnacht abwarten, ehe sie den Marsch zum Pol antraten. Welche der beiden Expeditionen würde wohl als erste ankommen?

Scott musste eine grössere Entfernung (ca. 150 km mehr) zurücklegen, dafür hatte er den Vorteil, einer Linie zu folgen, die schon zum grössten Teil bekannt und begangen war. Amundsen startete dagegen von einem dem Pol näherliegenden Punkt, doch war ihm der einzuschlagende Weg vollkommen unbekannt. So gesehen waren also die Bedingungen ziemlich gleich.

Amundsen fuhr am 19. Oktober 1911 los, mit vier von 52 Hunden gezogenen Schlitten. Die Hunde verhielten sich vorbildlich. Ausserdem hatte Norwegen für Amundsen die besten Schlittenführer bereitgestellt – und auch die besten Jäger. Während des Marsches hatten die Männer praktisch nichts anderes zu tun, als die Schlitten zu führen oder ihnen auf Skiern zu folgen. An jedem neuen Lager wurde für Mannschaften und Hunde eine Ruhepause von zwei Tagen eingelegt, wonach die Fahrt bei voller Geschwindigkeit weitergehen konnte.

Die Expedition bezwang die Berge, musste dann eine ziemlich stürmische Zone durchqueren, die voll von Gletscherspalten und Rissen war. So wurde ein ständiger Auf- und Abstieg erforderlich” um diese zu umgehen. Oft mussten sie in dieselben Spuren zurückkehren, um bessere Durchgänge zu finden. Sie nannten diese Zone »Ballsaal des Teufels«. Und schliesslich befanden sie sich auf der antarktischen Hochebene. Von diesem Augenblick an begann der lange Lauf zum Pol, wo Amundsen am 14. Dezember 1911 ankam. Die Methode des Vorgehens hatte sich als so wirksam erwiesen, dass man zwei Wochen weniger als Scott benötigte.

Amundsen hielt sich vier Tage am Pol auf, um dienotwendigen Kartenaufzeichnungen zu machen und sicherzugehen, dass er auch wirklich den südlichsten Punkt der Erde erreicht hatte. Dann brach er wieder auf und hinterliess am Pol ein Zelt mit der norwegischen Flagge und einen Brief für Scott.

Nun aber zu Scott. Die von ihm benutzte Technik sollte sich als langsamer und weniger brauchbar herausstellen. Eine seiner Zugmaschinen versank im Augenblick der Entladung im Meer. Die beiden anderen setzten bereits nach einer Entfernung von 50 km wegen Motorschadens aus. Die zu niedrigen Temperaturen liessen das Oel gefrieren, weshalb man die Fahrzeuge aufgeben musste. Auch ein Teil der mandschurischen Pferde ging verloren. Der Hund – der Amundsens Begleiter war – ist wie der Mensch in der Lage, in sehr unterschiedlichen Umweltbedingungen zu leben, so in tropischen und in polaren Zonen. Tatsache ist bei der Expedition von Scott, dass die fünf Männer, nachdem die Traktoren und die Pferde verloren waren und die wenigen Hunde, die bis zur Antarktis durchgehalten hatten, mit der ersten Gruppe zurückgeschickt worden waren, sich nun gezwungen sahen, selber die schwer beladenen Schlitten zu ziehen.

Amundsen erreichte am 30. Januar 1912 die Fram und segelte unbeschadet nach Norwegen wo er am 7.März 1912 gebührend empfangen wurde. Erst hier erfuhr er, dass Scott vermisst wurde. Als ihm einige Monate später von Scotts Tod berichtet wurde, traf sich die gesamten Südpolexpedition um bei seiner Beerdigung anwesend zu sein.

Weil die Expeditions Amundsen nicht publik wurde, sind – um Gegensatz zu Scotts Expedition – auch fast keine Schriftstücke vorhanden.

 

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